Projektbeschrieb
Eine Erinnerung, eine rote Rose und die eisige Kälte. Nathalia verlor ihre Mutter in den lodernden Flammen und besucht seit dem Todestag regelmässig ihr Grab. Ein kurzer Text zum Nachdenken über den Verlust eines Menschen und welche Gefühle und Ängste damit entstehen können.
Ein Wintermorgen
Kälte. Eisige Kälte. Der Wind peitscht ihr ins Gesicht. Die feuchten Haare kleben an ihrem Rücken. Vor ihr der triste Grabstein ihrer Mutter. Es ist bereits ein Jahr her. Noch immer erscheint der Unfall täglich vor Nathalias innerem Auge. Die Schreie zwischen den Flammen hallen in ihrer Erinnerung wider. Der Schmerz in ihrer Brust. Das Feuer auf der Haut. Nathalia streicht sich behutsam mit dem Daumen über die lange Narbe an ihrem Unterarm, während der Schneesturm sein Unwesen forttreibt. Das Rauschen des Windes wird stärker, möchte sich bemerkbar machen. Nathalia spürt, wie die eisige Kälte des Bodens durch ihre nackten Füsse nach oben wandert und sie an ihren Platz fesselt. Der stechende Schmerz dringt jedoch nicht bis zur brennenden Erinnerung vor, welche in ihrer Hand liegt. Eine rote Rose. Die Lieblingsblume ihrer Mutter. Die Dornen bohren sich in Nathalias Fleisch und ein Tropfen Blut fällt. Er fällt und fällt. Vermischt sich beinahe mit den weissen Eiskristallen in der Luft und trifft schliesslich auf die reine Schneedecke auf dem Boden. Der rote Fleck leuchtet in der Dunkelheit. Wie ein Feuer, dass sich langsam entfacht und das Grab erhellt. Feuer. Feind und Freund. Freund und Feind.
Ein Schluchzen dringt aus ihrer Kehle. Übertönt das Plätschern des Brunnens um die Ecke. Es ist Zeit Abschied zu nehmen. Seit einem Jahr schiebt Nathalia diese Aufgabe vor sich her. Wehrt sich gegen das Gefühl der Trauer. Und dennoch besucht sie das Grab und kämpft gegen den Schmerz an. Immer und immer wieder aufs Neue. Wieder und wieder.