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Desensibilisierung durch mediale Gewalt

Gewalt im Film und in der Serie ist nichts Neues. Bereits seit Beginn der Filmindustrie wird mediale Gewalt dargestellt. Das Problem dabei ist, dass je öfter wir uns dieser Gewalt aussetzen, desto «normaler» und alltäglicher erscheint sie uns [1]. Das bedeutet, wir werden gegen mediale Gewalt desensibilisiert, also unempfindlich gemacht.

«Desensibilisierung beschreibt den Prozess der Abstumpfung gegenüber emotional erregenden Reizen, der sich auf der Ebene der körperlichen Erregung, des erlebten Gefühls sowie der gedanklichen Bewertung zeigt» [1]

Barbara Krahé, Professorin für Sozialpsychologie an der Universität Potsdam

Problematisch ist dies hauptsächlich, weil nicht nur Erwachsene davon betroffen sind, sondern auch Jugendliche, wie eine Studie zeigt: Die Analyse von Potts & Belden aus dem Jahr 2009 hat gezeigt, dass je neuer die Filme waren, desto mehr Gewalt toleriert wurde, um diesem Film trotzdem noch die Altersfreigabe «ab 13» zu geben [4] [2]. Dazu erwähnte Barbara Krahé folgendes: «Das heisst, es gibt sowas wie eine Gewöhnung. Man findet immer mehr Gewalt tolerabel für Kinder in der gleichen Altersspanne» [2].

Hinzu kommt, dass die Abstumpfung gegenüber medialer Gewalt dazu führen kann, dass die Zuschauer und Zuschauerinnen immer extremere Inhalte bevorzugen [6]. Denn wird immer mehr solche Gewalt konsumiert, wird die ursprüngliche Angstreaktion gegenüber solchen Darstellungen abgeschwächt [2]. Auch kann ein positives Gefühl beim Anblick von Gewaltdarstellungen entstehen [3] [5].

In Bezug auf die Realität, ist zum Schluss noch folgendes anzumerken: Sind sich Menschen an mediale Gewalt gewöhnt, kann es passieren, dass sie auf reale Gewalt mit weniger Angst und Mitgefühl für die Opfer reagieren [5]. Problematisch ist dies hauptsächlich, weil insbesondere Kinder und Jugendliche zu einer Nachahmung der Gewalt verleitet werden. [3]

Die Reizverarbeitung im Gehirn

Hast du dich schon mal gefragt, was eigentlich in unserem Gehirn abläuft, wenn wir uns solche Gewaltdarstellung ansehen? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir einen Abstecher in die Neuropsychologie vornehmen:

Beim Sehen werden visuelle Reize mit den entsprechenden Rezeptoren (zum Beispiel über Sinneszellen der Augen) zum Thalamus geleitet. Der Thalamus ist ein Teil des Zwischenhirns, in dem Sinnesreize aus der Umwelt verarbeitet werden. Diese Reize werden anschliessend in die Amygdala geleitet. Diese ist unter anderem für die Steuerung der Gefühle zuständig. Nun wird innerhalb von 12 Millisekunden der Reiz als gefährlich oder eklig bewertet. Wenn der Reiz nun als gefährlich beurteilt wird, kommt es bei uns zu autonomen Reaktionen. Zum Beispiel verändert sich unser Blutdruck, Stresshormone werden ausgeschüttet oder auch Schreckreaktionen oder Erstarren können eintreten.

Gleichzeitig wird der Reiz zusätzlich noch über einen Umweg über den Cortex in die Amygdala gesendet. Dies ist der langsame Weg der Reizverarbeitung. Im Cortex werden feine Unterscheidungen vorgenommen: der Inhalt des Reizes wird analytisch eingeschätzt. Dafür werden unsere Erinnerungen genutzt. Erst danach beurteilt die Amygdala den Reiz. Diese Beurteilung dauert etwa 19 Millisekunden, also fast 7 Millisekunden länger als die schnelle Reizverarbeitung. Deswegen kann es passieren, dass der Mensch vor Schreck schon hochspringt, obwohl er direkt in diesem Moment die Situation als ungefährlich einschätzt.

Unser Körper reagiert also schneller als unser Bewusstsein. Hinzu kommt, dass die Erfahrungen mit Horrorfilmen und Psychothrillern uns helfen, die Situation als nicht wirklich gefährlich einzuschätzen. Denn die Gewalt im Film ist nur gespielt und nicht echt. Aufgrund dieser zwei Komponenten kann es passieren, dass der Mensch gegen Gewalt abstumpft. [5]

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Die Gewalt im Actionfilm

Zum Abschluss dieses Diskurses findest du in einer virtuellen Ausstellung Inhalte aus Actionfilmen von 1990 bis 2020. Merkst du auf deiner Tour, wie sich die Wahrnehmung von medialer Gewalt verändert hat?

Literatur
  1. Krahé, B. (2015). Abstumpfung gegenüber Gewalt und Leid. 4(1), 28–32. Link
  2. Krahé, B. (2019). Von der Faszination an Verbrechen bis zur Kriminalität in den Medien. [YouTube]. Link
  3. Oberlechner, H. (1997). Gewalt auf dem Bildschirm (II. Folge). Medienerziehung, 19, 77–80.
  4. Potts, R., & Belden, A. (2009). Parental Guidance: A Content Analysis of MPAA Motion Picture Rating Justifications 1993–2005. Current Psychology, 266–283. Link
  5. Schwelgengräber, W. (2022). Wer sehen will, muss spüren. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH.
  6. Squid Game—Brutal, gut? (o. D.). Institut für Generationenforschung. Link